Pflegehelfer*innen bzw. Pflege(fach)assistent*innen führen äußerst anspruchsvolle Arbeiten aus und leisten einen entscheidenden Beitrag zur pflegerischen Versorgung unserer Menschen. Sie übernehmen eigenverantwortlich unter der Steuerung von Pflegefachpersonen die ihnen übertragenen Aufgaben. Dabei werden hochkomplexe Tätigkeiten ausgeführt, für die nicht nur fundierte berufspraktische Kenntnisse, sondern auch gute (schrift-)sprachliche Kompetenzen erforderlich sind. So stellt der Pflegebereich im Kanon derjenigen Branchen, die für Menschen mit Grundbildungsbedarf eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten, eine Besonderheit dar. Die in der Alpha-Dekade priorisierte Gruppe für Grundbildungsangebote auf Alpha Level 1 bis 3 ist in der Pflege nur sehr marginal vertreten. Vielmehr liegt der Fokus auf Alpha Level 4 bzw. 3plus. Diese Gruppe charakterisiert u. a. auffällig fehlerhaftes Schreiben und eine langsame Bearbeitung oder gar Vermeidung schriftsprachlicher Aufgaben.
Beschäftigte in der Pflegehilfe/Pflege(fach)assistenz müssen einer Breite und Komplexität von Grundbildungsanforderungen gerecht werden, die sich an der Anwendungspraxis von Schriftsprachlichkeit im beruflichen und gesellschaftlichen Alltag orientieren. Dazu zählen zweifelsohne allgemeine, aber auch für diese spezifische Berufsgruppe typische Grundbildungsanforderungen.
Pflege setzt einen engen, vor allem auch körperlichen Kontakt der Beschäftigten mit den Pflegebedürftigen in unterschiedlichen Pflegesettings voraus. Diese intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen verweisen auf die Notwendigkeit, der Beziehungsgestaltung große Bedeutung beizumessen. Folgende allgemeine personelle Grundfähigkeiten sind dabei von besonderer Bedeutung:
Für die Pflege spezifische Grundbildungsinhalte richten sich nach den Aufgaben bzw. geforderten Tätigkeiten, die Pflegehelfer*innen oder auch Pflege(fach)assistent*innen ausführen:
Alltägliche Prozesse und Besonderheiten, die sich in der Pflege ereignen, müssen dokumentiert werden, für das Schreiben von Pflegeverlaufsberichten sind Beobachtungs-, Lese- und Schreibkompetenzen erforderlich. Ebenso müssen komplexere Texte oder Dokumente, wie Dienstpläne und Dienstanweisungen, gelesen, verstanden und umgesetzt werden. Einfache Rechenoperationen, wie das Bilanzieren (Kalorienzufuhr/Trinkmengen) und Schätzen (von Mengen) gegenüber dem Berechnen von Arbeitsstunden oder Einkäufen, bereiten jedoch Pflegehilfskräften mit Grundbildungsbedarf oft Schwierigkeiten. Im Bereich der mündlichen Kommunikation müssen beobachtete Auffälligkeiten bei Pflegebedürftigen erkannt, eingeschätzt und Pflegefachkräften bzw. ärztlichem Personal mitgeteilt werden. Gespräche mit unterschiedlichen Personen in verschiedenen Settings (Pflegebedürftige, Kolleg*innen, Ärzt*innen oder auch Angehörige) verlangen von Pflegehilfskräften bzw. Pflege(fach)assistent*innen unterschiedliche Kommunikationsformen. Auch von Pflegehilfskräften wird der kompetente Umgang mit (medizin-)technischen Geräten oder auch Computer immer mehr gefordert.
Diese wenigen Beispiele demonstrieren die anspruchsvollen grundlegenden kommunikativen, fachlichen und auch sozialen Kompetenzen, über die Pflegekräfte verfügen sollten. Angesichts dessen wird deutlich, dass die Bezeichnung „Pflegehilfskraft“ missverständlich sein kann, da besonders im Pflegebereich diese Beschäftigten nicht nur Hilfsarbeiten ausüben, sondern selbstständig grundpflegerische Leistungen unter fachlicher Aufsicht der Pflegefachkräfte erbringen.
Steffi Badel, Lea Melina Schüle (Hg.): Arbeitsplatzorientierte Grundbildung in der Pflegehilfe. Erfahrungen und Erkenntnisse aus Forschung und Praxis (E-Book Open Access, wbv Verlag) ► Link